Fachliche Debatten
Moderation: Eva Möhler, Homburg
Diskutanten: Jörg Fegert, Ulm; Lasse Brandt, Berlin
Abstract Jörg Fegert:
Corona-Pandemie, Klimakrise, Naturkatastrophen, Krieg in der Ukraine, Eskalation im Nahost-Konflikt, nukleare Bedrohung, Wirtschaftskrise, Rechtsruck- der englische Ausdruck „Times marked by consecutive crises“ beschreibt die gegenwärtige gesellschaftliche Ausgangslage, insbesondere für Kinder und Jugendliche, passend. Wissenschaftlich wie auch in der öffentlichen Auseinandersetzung werden die kumulativen psychosozialen Konsequenzen der multiplen, aufeinanderfolgenden Krisen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien nicht als Frage, sondern als Tatsache behandelt. Die EU spricht offen von einer „Mental Health Crisis“ und die WHO bezeichnet für die europäische Region einen Teil der Gruppe der Adoleszenten als „left behind“. Denn gerade bei kurzfristig getroffenen Entscheidungen während der Pandemie wurden die Interessen von Kindern und Jugendlichen in Krisenstäben und anderen Runden auf politischer Ebene kaum berücksichtigt.
Die Frage ist also nicht: Sind Krisen ein wirkliches Thema für die KJPP? Sie sind es, vor allem, weil die Betroffenen hier Hilfe suchen und sich mit Zuschreibungen wie „Lost Generation“ oder „Generation Corona“ auseinandersetzen müssen. Die Frage ist eher: Wer kommt gut klar in der von Krisen geprägten Generation? Wo versagen Institutionen zum Schutz von Kindern gegenwärtig? Und wie können wir es besser machen?
Sowohl in der KJPP als auch auf politischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene ist es eine Frage der Generationengerechtigkeit, Kinder, Jugendliche und ihre Familien jetzt mit den richtigen Hilfen zu unterstützen. Vorbereitete Infrastrukturen, die schnell auf Krisen reagieren können, Stepped Care- und moderne Online-Beratungsansätze sind nur ein Teil der notwendigen Unterstützungsangebote. Nach den Erfahrungen der immer noch nicht bewältigten sukzessiven Krisen geht es letztlich darum, die Interessen und elementaren Rechte von Kindern und Jugendlichen langfristig über die Zeitenwende hinaus zu stärken und vor Krisen zu schützen durch die Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung.
Abstract Lasse Brandt:
Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische GesundheitDer Klimawandel ist eine weltweite Krise, die eine noch nie dagewesene Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellt. Die klimabedingten Gefahren wie unter anderem Hitzewellen, Überschwemmungen, und Dürren können bestehende psychische Probleme verschlimmern und begünstigen das Auftreten neuer psychischer Erkrankungen. Der Klimawandel bedeutet eine zunehmende Herausforderung für die Psychiatrie. In diesem Beitrag wird die aktuelle Evidenz zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit zusammengefasst.
Moderation: Christine M. Freitag, Frankfurt
Diskutant:innen: Sabine Maur, Mainz; Veit Roessner, Dresden; Georg Romer, Münster; Florian Zepf, Jena
Im Rahmen der Entwicklung und Konsentierung der AWMF S2k-Leitlinie zu Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter gab es zahlreiche öffentliche Beiträge, oft geprägt von Sorgen hinsichtlich ganz unterschiedlicher Aspekte. Aus diesem Grund möchte der DGKJP-Vorstand im Rahmen dieser Podiumsdiskussion unterschiedlichen Stimmen Raum geben und auch die Möglichkeit bieten, Sachfragen zu beantworten. In der Podiumsdiskussion wird es neben der Information zum Inhalt der AWMF-S2k-Leitlinie eine Expertendiskussion mit zusätzlichen Fragemöglichkeiten für das Publikum zu folgenden klinisch relevanten Themen geben: Diagnostik, Differentialdiagnostik, psychiatrische und somatische Komorbiditäten sowie Interventionen. Hierbei steht wesentlich die individuelle und angemessene Versorgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien, die sich mit Fragen zu einer möglichen Diagnose einer Geschlechtsdysphorie an das Gesundheitssystem wenden, im Mittelpunkt.
Moderation: Michael Kölch, Rostock; Gundolf Berg, Mainz
Diskutant:innen: Renate Schepker, Ravensburg; Marcel Romanos, Würzburg; Tobias Renner, Tübingen; Annegret Brauer, Halle (Saale); Marianne Klein, Weinsberg
Nach Jahren des Anstiegs der Versorgungsangebote im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie zeigt sich auch im Fachgebiet deutlich die Problematik des Fachkräftemangels. Personalvorgaben, die fachlich gewünscht sind, bereiten in der stationären Versorgung Probleme, da sie regional nicht erfüllt werden können. Die Inanspruchnahme steigt kontinuierlich ambulant wie stationär. Da die „Grenzen des Wachstums“ deutlich erkennbar sind, haben die Fachverbände eine Strategie für die Zukunft erarbeitet, damit die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher in der Zukunft gesichert und verbessert werden kann. Wichtige Themen werden sein eine Ambulantisierung, bessere Vernetzung zwischen ambulantem und stationärem Bereich, die vermehrte Nutzung von Digitalisierung und Telemedizin, sowie die Entwicklung von innovativen regionalen Versorgungsmodellen. Die Verbände stellen sowohl die bestehenden Probleme wie die Strategie vor, wie in den nächsten Jahren die kinder-und jugendpsychiatrische und –psychotherapeutische Versorgung weiterentwickelt werden muss.
Moderation: Veit Roessner, Dresden
Diskutant:innen: Myriam Bea, Berlin; Marcel Romanos, Würzburg; Thomas Linnemann, Hamm; Gerd Schulte-Körne, München
Die fachliche Debatte zum Thema Selbsthilfe und Partizipation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf dem DGKJP-Kongress adressiert wichtige Fragen im Bereich der Patientenversorgung und -beteiligung. Diskutiert werden qualitative Veränderungen in der Behandlung und Forschung, die den aktuellen Zeitgeist widerspiegeln könnten. Die Rolle der Selbsthilfeorganisationen, die zunehmende Anerkennung der Bedeutung von Patientenautonomie, Selbstbestimmung und die Förderung der aktiven Beteiligung junger Patienten an ihrem eigenen Behandlungsprozess stehen im Fokus dieser fachlichen Debatte. Der Austausch möchte auf dem Kongress dazu beitragen, innovative Ansätze kennenzulernen, zu entwickeln, um die Selbsthilfe und Partizipation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie weiter zu stärken.